Torre del Mar in Andalusien, direkt an der Costa del Sol

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Torre del Mar - im Wandel der Zeit

 

Torre del Mar in Andalusien an der Costa del SolDie englischen Verfolger sind den spanischen Schiffen dicht auf den Fersen. Es ist 1782, Höhepunkt der Auseinandersetzungen zwischen Spanien und der englischen Krone. Vom "Torre del Mar", dem imposanten Turm der trapezförmigen Befestigungsanlage vor Veléz, beobachtet Don Lopez die Verfolgungsjagd. Mit mächtigen Kanonenschüssen aus der Festung können die Engländer abgedrängt werden und die Spanier erreichen den sicheren Schutz des Hafenbeckens.

 

Fast 2.000 Jahre diente dieser strategisch wichtige Punkt den verschiedenen Eroberern. Schon in der Antike war Torre del Mar ein wichtiger Umschlagplatz für die Produkte aus der gesamten Axarquía. Eine Befestigungsanlage, die für Sicherheit bei Handel und Schiffahrt sorgt, war zwingende Voraussetzung dafür. Ursprünglich von den Römern angelegt, wurden die noch vorhandenen Überreste dann von den Arabern genutzt, um hier eine gewaltige Anlage entstehen zu lassen. Das Castell mit seinen weithin sichtbaren Beobachtungsturm diente als militärischer Vorposten für Veléz und sollte die Stadt vor Überraschungsangriffen schützen. Außerdem überwachte es die Sicherheit der hier anlegenden Handelsschiffe. Der erhöhte Standort der Anlage ermöglichte es mit Hilfe optischer Signale mit den Einheiten in Veléz zu kommunizieren.

 

Der Hafen von Torre del Mar entwickelte sich zu einem Zentrum der arabischen Handelswege nach Afrika und Asien. Die Mauren bauten eine gut funktionierende Infrastruktur auf und entwickelten die bis dahin weitgehend brachliegende Landwirtschaft. Wein, Rosinen und Zuckerrohr wurden zum Exportgut. Die Rückeroberung durch die katholischen Könige 1487 führte zunächst zu einem Zusammenbruch der regionalen Wirtschaft. Torre del Mar wurde Veléz unterstellt.

 

König Karl V war sich der Bedeutung der Festungsanlage von Torre del Mar bewußt ("... verteidigungswirksam und windruhig") und forderte 1517 von Veléz "den Meeresturm" wieder in einem akzeptablen Zustand zu bringen, ansonsten wäre jeglicher Anspruch auf den Turm als nichtig zu betrachten. Eine Forderung, die über 200 Jahre auf sich warten ließ. Erst 1730 entschloß man sich, die Burg durch Anbauten und Verstärkungen erheblich zu verbessern. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich in der Anlage eine große Anzahl von Wohnungen für Angehörige von Kavallerie und Infantrie, ein Kasernenplatz, eine Kirche, Lagerräume und mehrere Straßenzüge. Alles wurde beherrscht von dem imposanten Turm an der Meerseite.


Möglich wurde diese kostspielige Investition durch eine unerwartete Einkommensquelle. 1675 wurde das Zollhaus von Torre del Mar der amerikanischen Handelskammer in Sevilla unterstellt. 120 Jahre wird der Handel mit den Überseekolonien ausschließlich über Torre del Mar abgewickelt. Erst 1795 verliert der Hafen seine Monopolstellung, als durch ein königliches Gesetz neun weitere Städte in Spanien - darunter auch Málaga - zum Handel mit der neuen Welt befugt werden. Schon nach kurzer Zeit nimmt Málaga Torre del Mar den Rang als wichtigste Handelsstation ab. Hauptaufgabe der Festung wurde nun der Schutz vor Piraterie und die wachsende Sorge im englischen Konflikt. 1743 kam dann auch der erste schwere Seeangriff der Engländer auf Torre del Mar.


Auch nach einem Erdbeben 1763, bei dem die Anlage schwer beschädigt wurde, entschloss man sich, sie auch ohne Reparaturen weiter als effektive Verteidigungsanlage zu nutzen. 1797 wird die Burg nach der erfolgreichen Abwehr englischer Kriegsschiffe wenigstens mit neuen Kanonen ausgestattet. Das "Aus" für den berühmten Turm kam 1803. Der größte Teil der Festungsanlage wird abgerissen - eigentlich um hier eine neue Festung entstehen zu lassen - doch der Wiederaufbau lässt auf sich warten.


Torre del Mar in Andalusien an der Costa del SolTorre del Mar und Veléz hatten andere Sorgen. Die Region, schon seit Jahrhunderten als Anbaugebiet von Zuckerrohr geprägt, erlebte einen kurzen Boom des Reichtums durch diese Pflanze - und einen anschließenden tiefen Fall. Die Einführung eines neuen Kristallisierungsprozess ermöglichte ein lukratives Geschäft mit der süßen Pflanze. Doch der neue Prozess erfordert eine Unmenge von Holz als Brennstoff. In nur 20 Jahren, zwischen 1770 und 1790, wurde der Waldbestand in Tejada, Jatar, Cómpeta und Canillas um über die Hälfte reduziert. Die Preise für Holz schnellten in die Höhe und führten zu einem wirtschaftlichen Einbruch in der gesamten Region. Dutzende von Zuckermühlen verschwanden.


In Torre del Mar gründete sich ein "Patriotischer Wirtschaftsbund" mit dem Ziel, Auswege aus der Situation zu finden. Der Ausbau des Hafens oder die Gründung eines Konsulats für See- und Landhandel wurden angestrebt. Hilfe suchte man an höchster Stelle. So ist belegt, dass eine Anfrage des "Patriotischen Wirtschaftsbundes" 1787 an Premierminister Conde de Floridablanca weitergeleitet wurde - aber nie eine Antwort zurückgeschickt wurde.

Die Zuckerindustrie erhielt aber 1845 neuen Auftrieb, als sich die Zuckerbauern Spaniens in der "Gesellschaft für Zuckeranbau" zusammenschlossen. Die Anforderungen an die straff organisierten Produktions- und Vertriebswege konnten jedoch nur die größten Bauern erfüllen. Große Anbauflächen und moderne Maschinen waren Voraussetzung. Don Manuel Domingo Larios, Inhaber einer 25.000 Quadratmeter großen Zuckerrohrplantage in Torre del Mar, verstand es, die neuen Möglichkeiten für sich zu nutzen. Investitionen in eine moderne Raffinerie, die auch Melasse und Zuckerschnaps produzierte, brachten in kurzer Zeit hohe Gewinne. In nur 10 Jahren wurden riesige Flächen zusätzlich als Anbaugebiete erworben.

 

 

Die gesamte Region nimmt an dem Aufschwung teil. 180 Menschen arbeiten in der Fabrik, ebenso viele auf den Feldern. Bei knapp über 900 Einwohnern war praktisch jeder in Torre del Mar für den erfolgreichen Unternehmer tätig. Außerdem zeigten die Einwohner eine neue, unternehmerische Seite: Man verpachtet seine Felder gegen Gewinnbeteiligung an der nächsten Ernte. Larios hatte jedoch das Monopol auf die Zuckerherstellung und konnte so die Preise frei festlegen. 48 Bauernhöfe gingen in der Zeit zwischen 1910 und 1920 in den Besitz der Familie über. Der Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt ließ auch die Stadt schnell wachsen. Als Baumaterial wurden auch die Reste des ehemals so wichtigen Castells verwendet, so das sich der Standort heute nur noch erahnen lässt. Durch den Rückgang des Meeres wird sein ehemaliger Standort im heutigen Stadtzentrum vermutet. Sinkende Weltmarktpreise und chemische Süßungsmittel setzten diesen Boom in den 50er Jahren ein Ende. Trotzdem hielten sich noch bis in die Gegenwart einzelne Zuckerrohrbauern - und sind damit die Letzten in Europa.

Langsam tauchten in den 70er Jahren die ersten Touristen auf. In Torre del Mar war das eher ein schleichender Prozess. Viele erwarben Häuser im nahen Hinterland, um das milde Klima und die schöne Landschaft für sich als "Ruhezone" zu genießen. Das nahe Torre del Mar ist für sie Einkaufsort mit guter Infrastruktur. Doch der Fremdenverkehr gewinnt immer mehr an Bedeutung. Tourismusplaner besinnen sich auf die Worte Karl V, werben mit der windgeschützten Lage und träumen von dem seit 500 Jahren geplanten Ausbau des Hafens. Eine Autobahnanbindung erfolgte, Appartementblöcke entstanden und die Immobilienpreise entwickeln sich rasant. Es ist zu erwarten, dass Torre del Mar erneut einen "Boom" erlebt.


Jon Frederik Heitmann (geb. 1961), Fotograf und freier Journalist mit Wohnsitz in Südspanien ist Autor zahlreicher Fachbeiträge und Publikationen über Andalusien. Freundlicherweise stellte er uns diesen im Jahre 2000 auch im "aktuellen Spanienmagazin" (www.spanien-aktuell.com) veröffentlichten Artikel zur Verfügung.


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